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Juli mit Ulysses

18 Jul

Okay, mittlerweile weiß ich, worauf ich mich da so spontan und unschuldig als Juli-Roman für die Bücher-die-man-gelesen-haben-muss-Challenge gestürzt habe. ULYSSES. Fettgedruckt und in Großbuchstaben. Angeblich der Roman des 20. Jahrhunderts, was daran liegt, dass man es wohl nicht einmal im 21. Jahrhundert schaffen wird, ihn komplett zu interpretieren. Aber eins nach dem anderen – hier möchte ich meine ersten Eindrücke zusammenfassen und mein weiteres Vorgehen beschreiben. Denn aufgeben werde ich so schnell nicht, nein!

Also, alles fing damit an, dass sich der werte James Joyce mit seinem bekanntesten Werk auf der Sollte-man-gelesen-haben-Liste von BBC, Le Monde und Die Zeit befindet, weswegen ich ihn dieses Jahr lesen wollte. Am Besten nicht unter dem Semester, und weil ich grad ein paar Tage entspanne, dachte ich mir, leihste ihn dir mal aus der örtlichen Bücherei aus, wenn sie ihn da haben. Hatten sie. (Gleichzeitig hab ich mir auch ‚Alle sieben Wellen‘, den Nachfolger von ‚Gut gegen Nordwind‘ ausgeliehen, weil das Buch mich quasi angesprungen hat, aber pscht.)

Und weil ich gern erst einen Eindruck gewinne, bevor ich mir Rezensionen und andere Bewertungen genauer anschaue, habe ich auch direkt mal angefangen zu lesen. Erst ein paar Seiten, dann – nach einer Pause – rang ich mich bis zum Ende des ersten Kapitels durch. Und ich dachte mir: Whatthefuck. Als mir ein frecher Mensch einen Beitrag auf einem anderen Blog mit ‚Hirnwichse‘ kommentierte, meinte er nicht meinen Beitrag, sondern etwas wie Ulysses. Ein fortlaufender Schwall, deskriptiv und assoziativ, von einem Aspekt zum anderen springend, ohne dass der Leser mitkommt. Sollte jemand aus den früheren Tagen des Hogwartsforums mitlesen: Es wirkte wie eine Hardcore-Aelish, nur weniger blumig-romantisch.

Die Lektüre nur empfehlenswert für: Möchtegern-Intellektuelle, konsequente Masochisten und Kiffer.

Dann hab ich mich dafür entschieden, nach etwas Rezensorischem zu googeln, und besah mir die ersten drei Ergebnisse:

1. Eine Rezension von Kurt Tucholsky (1927). Der erste Eindruck ist so:

Unmöglich, alles hintereinander zu lesen. Die Personen verwirren sich; wenn eine Handlung darin ist, habe ich sie nicht verstanden – ich weiß nicht immer, was real, gedacht, geträumt oder beabsichtigt ist. Aus einer Inhaltsangabe des Verlages ergibt sich, was an diesem einen Tage, der dem Buch zugrunde liegt, vorgeht –: ich habe das nicht gemerkt.

Durchaus meine Meinung, wobei Tucholsky eine andere Übersetzung (meine ist von 1975) gelesen hat und auch nicht das Original – folglich können einige seiner Betrachtungen auch auf Fehlern der Übersetzer fußen, wie er selbst bemerkt.

Ich habe noch keinen Mann gesehen, der den englischen Text von ›Ulysses‹ gelesen und verstanden hat; ich kenne zwar merkwürdige Ruhmesfanfaren von Literaten, die ihn nachweislich nicht gelesen hatten – und ich erinnere mich, dass der englische Lektor der École Normale in Paris, ein Ire aus Dublin, mir einmal sagte, er vermöge das Buch nicht zu bewältigen.

Das hat mich in gewisser Weise beruhigt, fühlte ich mich doch weniger unzulänglich durch mein mangelhaftes Verständnis von dem, was da eigentlich abgehen soll. Auch, wenn das folgende

Ganze Partien des ›Ulysses‹ sind schlicht langweilig.

nicht sonderlich motivierend ist. Aber er sieht Ulysses differenziert und nicht ganz so negativ (er hat so seine Lieblingsstellen), wie es nun vielleicht wirkt; seine Rezension ist spannend und wert zu lesen.

2. Eine Abhandlung auf wissen.de. Weniger speziell als Tucholskys Text – ein Überblick, der auch die Rezeption (damals Ernst Robert Curtius: „Dass wir es mit einem Werk von außerordentlicher Größe und Bedeutsamkeit zu tun haben, das freilich steht schon heute fest. Aber dieses Werk ist verwirrend und schwierig wie keins der modernen Literatur. Der Autor hat alles vermieden, was dem Leser das Verständnis erleichtern könnte.“) behandelt und interpretatorische Fenster öffnet. Hier kann man bei Interesse auch einen Einblick in das Leben des Autors und weitere Werke, in deren Kontext Ulysses eigentlich gesehen werden soll, gewinnen.

3. Eine Hörspiel-Rezension von der FAZ. Dieser epochale Brocken als Hörspiel? Wieso nicht? Ich kann mir durchaus vorstellen, dass er dadurch atmosphärischer wirkt, die unverständlichen Details in den Hintergrund treten und man den Roman ganz anders auf sich wirken lassen kann. Dies wurde bis letztes Jahr vom Südwestrundfunk und einigen namhaften Schauspielern umgesetzt, für 22 Stunden akustischer Literatur, die mit 100 Euro leider auch nicht sehr billig ist.

 
6 Kommentare

Verfasst von - 18. Juli 2013 in Blog

 

6 Antworten zu “Juli mit Ulysses

  1. Ariana

    19. Juli 2013 at 11:18

    Siehst du, ich hatte dich ja gewarnt. ;-) Aber toll, dass du dich dennoch durchkämpfen willst. Und in so guter Gesellschaft (Tucholsky!) fühlt man sich gleich weniger schlecht, wenn man mit so einem monumentalen Werk nicht so viel anfangen kann, oder?

     
  2. Pik

    19. Juli 2013 at 23:01

    Ja, auf jeden Fall, da ist mir ein kleiner Kiesel vom Herzen gefallen, als ich gelesen habe, dass es Tucholsky ähnlich erging. (: Mal sehen, wie ich das weiter durchziehen kann, sollte ja bis Monatsende fertig werden…

     
  3. Ariana

    20. Juli 2013 at 15:33

    Du weißt aber schon, dass man für die Challenge nicht (mehr) ein Buch pro Monat lesen muss, oder? Mila hat das entschärft. Ziel war 6 Bücher im ersten Halbjahr (falls nicht, Strafbuch) und dann weitere 6 Bücher im zweiten Halbjahr. So einen Ziegelstein wie „Ulysses“ oder einen der alten Russen kann man ja wirklich schwer in einem Monat lesen …

     
  4. Pik

    21. Juli 2013 at 16:16

    Peripher hab ich irgendsowas mitbekommen, danke für die Zusammenfassung! Aber jetzt hätte ich eher die Zeit dazu als in den folgenden Monaten, also schaue ich mal, wie weit ich in den nächsten Tagen noch komme. (:

     
  5. Mila

    21. Oktober 2013 at 18:04

    Oh Gott, haha das sehe ich ja jetzt erst. Ich hab mich kaputt gelacht über deine Rezension. Nimms nicht so schwer, dass du nicht weiter gekommen bist, ich traue mich an das Ding garnicht erst heran. Ich hoffe, ich les dich bald wieder öfter. Wie ist’s mit dem neuen Mitbewohner, der hatte ja nun schon einige Zeit um „einzuwirken“? :p

    Viele Grüße,
    Mila

     
  6. Pik

    22. Oktober 2013 at 01:50

    Ja, ich bin vorläufig auch gescheitert. ^^“ Aber es freut mich sehr, dass du den Text amüsant fandest!
    Und mein neuer Mitbewohner ist klasse, wir verstehen uns nach wie vor und die Kommunikation läuft auch gut, das ist ja bekanntlich alles (oder zumindest sehr wichtig).
    Lieben Dank für deinen Kommentar und Grüße zurück! (:

     

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